In der 2. Runde der Regionalliga-Nordost reisten wir nach Bad Kötzting. Die Stadt liegt am nördlichen Fuße des Kaitersberges im Norden des bayerischen Böhmerwaldes. Die Mannschaft ist mit einigen starken Spielern aus der grenznahen Tschechei gespickt und es ist oftmals nur schwer vorherzusehen in welcher Besetzung das Team antritt. Diesmal fehlte "nur" Brett 1 und so gab es einen spannenden Wettkampfverlauf.
(Fotos vom SC Kötzting)

SC Bad Kötzing - SG 1882 Fürth  4-4

Brett 5:
Dieters Gegner spielte einen Alt-Benoni, wich aber im 5. Zug von altbekannten Pfaden ab. Als er dann noch Dieters Flügelattacke ignoriert, steht er bereits schlechter. Spätestens nach dem 18. Zug von Weiß Da4-c6 (Diagramm) nimmt die schwarze Stellung ruinentypische Charakterzüge an.



Beste Antwortmöglich wäre hier 18...Dxc6 19.dxc6 Se5 20.c7 Se6 21.f4, aber auch hier sagt uns Stockfish (+4,40) einen baldigen weißen Sieg voraus.
Sein Gegner versuchte noch 18...Tc8 19.Dxc7 Txc7 20.Sxd6 Lxd6 21.Lxd6 Ta7 22.f4 Sb6 23.e5, was 2 Züge später auch zur Aufgabe führte.
1-0

Brett 2:


Ediz bekommt in der Sizilianischen Alapin-Variante ein Bauernopfer serviert, dass er dankend annimmt. In folgender Stellung bringt Ediz einen unerwarteten Zug:



Mit 12...g5?! verspielt Ediz seinen Vorteil, den er mit 12...a6 13.Te1 Sd7 14.b4 b5 hätte aufrecht halten können. Nach dem Textzug hätte Weiß mit 13.Sb5 a6 14.Sd6 Lxd6 15.exd6 f6 Kompensation für den geopferten Bauern. Nun kam aber 13.Te1?! Sd7 14.h3 a5?! (besser a6) und Stockfish findet diese Stellung ausgeglichen. Wenig later (Diagramm nach Le7xg5)



Nach 18.Dg3 f6 19.exf6 Dxf6 20.Lxg5 Dg7 21.Te3 oder Dh4 gibt Stockfish hier ein +4,90 womit Schwarz aufgeben könnte.
Weiß spielte aber 18.Dxc5 Lxc1 19.Taxc1 worauf Ediz erneut fehlgriff und 19...Dg5 spielte. Mit 19...f6 oder 19...Kh8 wäre alles im Lot.
Nun könnte Weiß mit 20.Lxh7 Kg7 21.Tc3 die schwarze Burg erobern. Zwar sah bzw. spielte Weiß diesen Zug nicht und ging es langsamer an, kam aber nach einem Springereinsteller zum Sieg.
1-1

Brett 8:
Norbert bekommt es mit einer harmlosen Variante des Londoner Systems zu tun. Nach einer biederen Zugfolge opfert sein Gegner die Qualität für einen Bauern, was Stockfish mit einem 0,00 quittiert. Zwar ändert sich die Struktur der Partie, aber nicht die Ausgeglichenheit der Stellung. Ein folgenschweren Damenfehlzug kostet einen weiteren Bauern. Somit konnte Norbert das Remisangebot seines Gegners nicht ablehnen.
1,5-1,5

Brett 6:
Karl hat ein Königsläufer-Gambit auf dem Brett. Nachdem sich alle Figuren positioniert haben, ist für beide Seiten wenig zu sehen.  (Diagramm nach 22.De2-h5)



Karl muss hier allerdings den einzigen Zug 22...Kg8 finden. Vermutlich fürchtete er den Tausch 23. Sxe6 Dxe6 Dxf5, aber in dieser Variante ist ein Zwischenzug möglich. Nach Sxe6 kann Schwarz mit g6 den f5-Bauer decken und dann den Springer zurücknehmen. (falls Sc5, dann Dd5) Karl hingegen spielte hier: 22...g5?? worauf folgende schwer verdauliche Abspiele möglich sind:
1. Sxe6 Dxe6 Txf5  +6
2. Sxe6 Lxe5 Sxg5 +5
3. Dh6 Lxe5 Sg6 Kg8 Sxe5 +4
4. Dh6 gxf4 Lxf6 Kg8 Txf4 +4
5. Dxg5 (Partiezug) Lxe5 dxe5 Tg8? (besser war Te8) Dh6 +5 und Karl gab 2 Züge später auf.
1,5-2,5

Brett 7:
Mein Gegner versuchte eine Dublette der letzten Runde zu erreichen. Nach meiner Analyse verbesserte ich im 5. Zug meine Vorläuferpartie. Mit dem 10.Zug (Diagramm nach Se4-f6) versuchte ich dem Gegner eine Aufgabe zu stellen.


 
Hier findet Stockfish alle 3 Antwortmöglichkeiten gut spielbar:
1. exf6 exf6 Kf8 fxg7 Kxg7 (-0,08) Partieverlauf
2. Lxf6 exf6 Le6 Sg5 exf6 (+0,25)
3.. Beide Spieler dachten hier über Lxf6 exf6 e6 d4 nach (+1,10)
4. Kf8 Se4 Sf5 c3 h5 (+0,46)

Nachdem mein Angriff auf der Diagonale a1-h8 zu langsam war, konnte sich mein Kontrahent mit einem Abtauschprogramm in den Remishafen retten.
2-3

Brett 1:
Fabian E. griff mit Sämisch an. Er rochierte lang und begann dann mit h4 was mit h5 gestoppt wurde. Vielleicht wäre g4 der bessere Bauernzug gewesen. Nachdem Schwarz versäumt hatte, seine gute Stellung festzuzurren entstand folgende Stellung: Diagramm (Stellung nach 19. g4-g5)



Ein schwächerer Spieler würde hier mit 19...Se8? zurückgehen. Daraufhin würde Weiß mit 20.Sd3 oder Sb3 oder Lh3 fortsetzen und stünde laut Stockfish mit mindestens 1,50 Einheiten in Vorteil.
Schwarz spielte hier 19...Sxd5 20.exd5 Dxd5 21.Lg2 a5 und stand trotz Minusfigur (für 2 Bauern) kaum schlechter. (0,77)
Gegen Ende hatte Fabian nochmal die Chance seine Stellung zu verbessern. (Diagramm nach 34...Dc6-c4)



Mit 35.Se2 b3 36.Tc1 bxa2 37.Ka1 Dd3 konnte man auf Gewinn spielen.
Besser für Schwarz ist anstelle 35...b3 (was Fabian fürchtete) der Zug 35...Te7 36.Dd8 Kh7! Td2 (Dxe7 geht nicht wegen Dxe2). Nach einer Zugwiederholung einigte man sich auf Remis.
2,5-3,5

Brett 4:
Heinrich spielte einen klassichen Königsinder. Nach frühzeitigen Damentausch bot sein Gegner Remis an, aber Heinrich wollte nach einer 2-stündigen Anreise kein schnelles Remis geben. Ebenfalls klassisch das Läuferpaar-Endspiel gegen Springer+Läufer.



Heinrichs König wanderte nach g1 und übt fortan Druck auf g2 und den Deckungsläufer f1 aus. Der dunkelfeldrige Läufer dominiert das restliche Brett. Stockfish bewertet diese materiell gleiche Stellung mit +4,96 für Schwarz und gibt als besten Zug 39...Ld8 an. Nach 40.Ke2 b5 41.Sc5 Lc8 42.cxb5 cxb5 43.Sd3?! b4! sieht es noch deutlicher aus. Heinrich spielte 39...Lc8 40.Sc3 Le5 41.Se2 Kh2 42.Kf2 b5 was auch für +3,20 reichte. Stellung nach 48...b5-b4 Diagramm:



Zugzwang bei halbvollem Brett. Sollte der Springer sich in die Diagonale a6-f1 stellen, kann Schwarz den König zum Ziehen zwingen und den Läufer auf f1 gewinnen. Weiß ergab sich seinem Schicksal und spielte 49.Sxf7 La6 50.Kd2 Kxf1 51.e5 Lc8 und Weiß gab auf.
3,5-3,5

Brett 3:


Josephs Ergebnis bedeutete nun auch das Mannschaftsergebnis. Keine leichte Aufgabe, sich dieser Verantwortung zu stellen, besonders wenn man die folgenden, komplizierten Stellungstypen sieht. Es begann mit der selten gespielten MacCutcheon-Variante der Französischen Verteidigung.
Sie wurde nach dem amerikanischen Schachspieler John Lindsay MacCutcheon benannt, der sie 1885 in einer Simultan-Partie gegen
Wilhelm Steinitz spielte, welcher wiederum ein Jahr später als erster Schachweltmeister in die Geschichte einging.
Joseph fand gut ins Spiel. Nach 37...Sc4-d2 (Diagramm) hatte er einen klaren Gewinnzug, der aber in Zeitnot kaum ausrechenbar ist.



Hier wäre folgende Variante möglich gewesen:
Sc6-Kb7-Dd3 (Turm hängt nicht wegen Sd8)-Kxc6 (oder Sc4 Te7 Dg6 Dxg6 Txg6 Sd8)-Da6! (Turm hängt wieder nicht wegen Dc8 matt) Sc4 Te7!! und Weiß gewinnt.
Joseph spielte 38.Dh5 und auf 38...Th1 tauschte er die Türme. Hier war erneut Sc6!! der Gewinnzug.
Auf Kb7 folgt Dxh1 und der Turm ist tabu.
Auf Kc7 folgt Sxd5 (nun hängen alle 4 weißen Figuren) Bei 1 Minute auf der Uhr natürlich nicht spielbar



exd5 (Kxc6 Sb4 Kb5 Dxh1 falls nun Dxf7 folgt Matt in 8 beginnend mit Dc6) Dg6 Dxf7 Dxf7 Kxc6 e6 und Weiß gewinnt.
Stellung nach dem 42...Df7-f8



Mit 43.Scxa7 Kb7 44.Dh7 Dd8 45.Df7 und der e6-Bauer ist nicht mehr zu decken, was Stockfish mit +7,6 bewertet. Wieder hätte Joseph
den Sack zumachen können.
Joseph spielte nun 43.Dh7 Df2 44.Sd6? (Nach Dg8-Sf8-Sd6-Kc7-Sxc4-dxc4-Sxa7 war noch einiges möglich) und Schwarz hat Ausgleich. Obwohl Joseph noch eine Figur für 2 Bauern opferte, reichte es am Ende nur zum Remis, da er dem Dauerschach nicht mehr entrinnen konnte.
4-4

Fazit:
Ein interessanter, lehrreicher Kampf, der zu unserem neuen Standardergebnis führte. Wie schon zuletzt konnten wir die guten Stellungen nicht zum Mannschaftssieg nutzen.

Wolfgang Heimrath

⇐ Zurück